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© Institut für Evolutionäre Medizin
Rechteckiges Klappetui mit Schnappschloss und Druckknopf. Aussen mit schwarzem Lederimitat (Calico) bezogen, Unterteil innen mit grünem Samt gepolstert. Im Deckelhimmel sitzt ein bedrucktes, mit grünem Stoff bezogenes Polster, das mittels einer Lasche geöffnet wird und ein Fach freigibt, das mit einer Liste aller als Tabletten verfügbaren Substanzen ausgekleidet ist. Im Fach liegen 1 Bündel feiner Mandrine, 1 Broschüre "Hypodermic Medication", 2 Hinweiszettel zum Gebrauch der Spritze bzw. Nadeln und 1 Briefchen mit vier Reservedichtungen für die Spritze. Im Unterteil befinden sich 1 Injektionsspritze aus Metall und Glas (aufgedruckte Graduierung bis 1 cc), 1 Einsatz mit 2 Injektionsnadeln und 10 von ursprünglich 12 verkorkten Glasröhrchen mit in kleinen Tabletten gepressten Chemikalien; hinzu kommen 1 zugeschmolzene Ampulle mit klarer Flüssigkeit (steriles Wasser) und 1 leere Ampulle mit eingeschliffenem Zapfen und eingeschliffener Kappe (die Kappe dient als Mörser und der Zapfen als Stössel zum Zerkleinern der Tabletten).
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Dieses Etui beeindruckt durch seine umfangreiche und durchdachte Ausstattung, die es einem Arzt erlaubte, in einem kompakten Etui ein komplettes Spritzenset mit einer grosse Auswahl an länger haltbaren Mitteln samt den Utensilien zu deren Zubereitung mitzuführen. Bei Bedarf wurden einfach die benötigten Tabletten in einem speziellen Gefäss zerstossen, in mitgeführtem sterilem Wasser aufgelöst, in die Spritze aufgezogen und injizieren.
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Herzstück des Systems war die spezielle Form und Grösse der Tabletten, für die sich der Hersteller Burroughs Wellcome and Co. 1884 die Trademark «TABLOID» schützen liess. Als sie 1903 gegen den Gebrauch des Wortes durch andere Hersteller klagten, verloren sie. Das Gericht stellte nämlich fest, das Wort «Tabloid» sei durch den Gebrauch des Klägers selbst so stark mit komprimierten Arzneimitteln verbunden worden, dass dies in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen sei.
Offenbar wurde der Begriff zunehmend symbolisch benutzt für alles Mögliche, das in komprimierter Form viel Wert oder Kraft versprach. Als Sopwith 1913 ein schnelles, kompaktes Doppeldeckerflugzeug vorstellte, erhielt es den Namen «Tabloid». Auch die Klatschpresse wurde zunehmend mit diesem Begriff belegt, da sie im Vergleich mit etablierten Zeitungen zunächst ihre Inhalte und ab ca. 1918 auch das Druckformat «komprimierte». Die Begriffe «tabloid journalism» und «tabloid press» sind im Englischen bis heute gebräuchlich.
Martin Trachsel